Donnerstag, 3. März 2016

Was für ein Zirkus!

Komischerweise kann ich mich nicht daran erinnern, als Kind mit meinen Eltern jemals im Zirkus gewesen zu sein. Seit einigen Tagen habe ich eine leise Ahnung warum.

Mein Grinsekätzchen liebt Zirkus. Ihr letzter Geburtstag stand unter diesem Motto und all ihre Gäste durften standesgemäß verkleidet mit Eintrittsticket im "Garten-Zirkus" erscheinen, Waffeln, Zuckerwatte und Popcorn naschen, auf Holzpferden voltigieren, Kunststücke einüben und diese süßigkeitenverschmiert einem ausgewählten, geduldigen Publikum vorspielen... 


Selbstredend, dass man - gastiert ein echter Zirkus in der Nähe - diesen auch besuchen muss. An einem regnerischen Nachmittag beschlossen wir also, einen Mädchenausflug in den Zirkus zu machen. In einen kleinen familiengeführten Vorstadt-Zirkus. Ramba-Zamba. Rucki-Zucki. Zapperlotti. Ich weiß den Namen nicht mehr genau. 
Der Vorstadt-Zirkus ist, sagen wir: überschaubar. Der Eintrittspreis allerdings umso weniger. Wir gingen in die 16-Uhr-Vorstellung, die mit ca 35 Besuchern ausgebucht war. Grinsekätzchen und ich fanden einen hervorragenden Platz, von dem aus wir alles überschauen konnten.

Das Programm startete mit einem Tusch vom Band und einer hochschwangeren Zirkusdirektorin in einer etwas eigenwilligen Anzug-Frack-Kombination. (1. Gibt es wohl adäquate Schwangerschaftsmode für das Zirkus-Gewerbe? 2. Gott, was wenn die Fruchtblase während einer Vorstellung mitten in der Manege geplatzt wäre? Ob sie das noch als Kunststück oder Zaubertrick mit hätte einbinden können? Vermutlich.) Sie moderierte ihren jüngsten Sprössling, einen ca. 8 jährigen, als Clown verkleideten Jungen an, der wohl in Kinderaugen ziemlich lustig erschien, denn man konnte wildes Gekicher kleiner Gäste im Zuschauerraum vernehmen. Unter den Augen der schwangeren Direktorin bespaßte der kleine "Zucchini" (so oder ähnlich hieß er wohl) eine ganze Zeit lang die Menge. 
Ich ließ meine Gedanken während seiner Darbietung schweifen und sortierte die Termine der nächsten Tage, als ich plötzlich aus meiner Unaufmerksamkeit heraus gerissen wurde, weil der moderierende Pinguin geradewegs auf mich zukam, die Hand nach mir ausstreckte und die übrigen Zuschauer bat, mich mit einem kräftigen Applaus auf die Bühne zu bitten. 
Etwas irritiert leistete ich ihr Folge. Ein ebenso irritiertes Grinsekätzchen blieb mit runzelnder Stirn und flehendem Blick auf seinem Platz zurück. 
Madame Pinguin platzierte mich in die Mitte der Manege. Gott. Alle Strahler waren auf mich gerichtet. Mein Herz pochte. Ich blinzelte in die Menge. Der kleine Zucchini kam, wirres Zeug plappernd, (das kleine Gäste wohl wieder ziemlich witzig fanden - ich nicht) mit einem Hulahup-Reifen zu mir und stülpte ihn mir über. Die Schwangere, die nur unwesentlich beleibter war als ich mit meiner dicken Daunenjacke, forderte mich auf, mit dem Reifen einige Hüftumkreisungen zu machen und versprach für erfolgreiches Absolvieren dessen einen "tollen Preis". 
Mir wurde heiß in meiner Daunenhülle, wusste ich doch, dass ich mich genau jetzt - übrigens mit oder ohne Jacke - zum zweiten Clown in der Manege machen würde. Der Gedanke war mir zuwider. 
Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass ich zum Glück nicht vor einem ausverkauften Zuschauerraum im Zirkus Roncalli mit ZDF-Live-Schalte stand sondern nur vor 34 glotzenden, kleinen und großen Gesichtern! Ich nahm den Reifen, holte Schwung und schaffte es, ihn eine halbe Umdrehung lang meine Jacke streifen zu lassen. Dann fiel er zu Boden.
Und meine Darbietung war beendet.
Neben wildem Gekicher kleiner Gäste vernahm ich zahlreiche mitleidige Gesichter großer Gäste und einen recht unaufdringlichen Applaus. 
Ich sah, wie die Zirkus-Direktorin mit einer Flasche "Veuve Clicquot" freudestrahlend auf mich zuwatschelte und dachte, Schampus sei eine ordentliche Entschädigung für den Straftatbestand der Nötigung. Hätte sich nicht plötzlich der kleine Zucchini ihr in den Weg gestellt, die Flasche entrissen und mir einen läppischen Lolly als Dankeschön in die Hand gedrückt....

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