Montag, 7. November 2016

Weckmann vs. Martinshörnchen

Welchen Kulturschock ich hier in der Berliner Vorstadt alljährlich zu Karneval erleide, habe ich Dir ja bereits erzählt. Welcher mich aber anfänglich zu Sankt Martin ereilte, noch nicht.

Zunächst möchte ich anerkennend festhalten, dass Sankt Martin es war, der mich in Kindertagen von meiner Schnuller-Sucht befreit hat. (Verschweigen möchte ich hier, wie lange ich überhaupt einen Schnuller zum Einschlafen brauchte: es war seeehr lang.) 
Meine Oma sagte mir damals, einen Abend vor Sankt Martin, ich würde wohl keinen Weckmann bekommen, wenn Sankt Martin sehen würde, dass ich immer noch ein Schnuller-Kind sei. Mal abgesehen von all den anderen Kindern, die wohl sofort bemerken würden, dass ich aufgrund meines Schnullers keinen Weckmann bekäme. 
Die Häme der Kinder vor Augen, musste ich in der Nacht vor Sankt Martin ohne meinen geliebten Schnuller einschlafen, nur um ihnen und dem werten Herrn im roten Umhang zu beweisen, dass ich eines frischen Weckmanns würdig sei. Notgedrungen schaffte ich die Nacht ohne Schnuller und trat am Folgeabend nach dem Laternenumzug stolz an den erhabenen Reiter heran, um mir meinen hart verdienten Weckmann abzuholen. Es war wohl der schönste Weckmann des Abends, stattlich und strahlend glasiert mit weißer Pfeife und rotem Geschenkband zum Umhängen.
Den Schnuller hatte er, laut (zunächst glaubwürdiger) Aussagen meiner Oma, in besagter Nacht direkt aus dem  Kinderzimmer mitgenommen. 
In den Folgenächten beschäftigte mich die Frage so sehr, wie er überhaupt unbemerkt in die Wohnung und mein Kinderzimmer gekommen war, dass ich vor lauter mentaler Erschöpfung nun auch ohne Schnuller einschlief.

Aber zurück zum Weckmann. Du siehst, dieses kleine Hefe-Geschöpf hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Auch als ich längst schon groß war, zierte stets ein prächtiger Weckmann mit Pfeife (oder rotem Kirsch-Lollie), glänzend oder streuselig in Novembertagen meinen Arbeits- und Esstisch.
Umso entsetzter war ich, als man mir hier im Vorstädtchen unterbreitete, man kenne überhaupt keine Weckmänner. Zahlreiche Bäckerei-Besuche hatten zur Folge, dass man mich kopfschüttelnd abwies. 
Ich vermute nach wie vor, man tuschelte leise hinter vorgehaltener Hand "ach, ditt is doch die, die immer Brötchen statt Schrippen kooft." 
Ja, ditt is DIE!
Etwas beleidigt ob meines verschmähten Traditionsgedankens fand ich allerdings heraus, dass man hier die Tradition pflegt, am Martinstag kleine Hörnchen zu backen. 

Die sogenannten Martinshörnchen werden mit zum Laternenumzug genommen, um sie zum Schluss am Lagerfeuer gemeinsam mit Eltern und Kindern zu teilen. Jeder geht also mit seinem Körbchen herum, und bietet seinem fremden Gegenüber ein Martinshörnchen an. Diese Geste finde ich (trotz meiner Beleidigtheit über verpönte Weckmänner) ganz wunderbar und erklärt schon kleinen Kindern auf ganz einfache Weise, wie schön und wichtig es ist, zu teilen. 

Außerdem gibt es eine Vielfalt an tollen Rezepten für Martinshörnchen, so dass es immer wieder eine kleine Leckerei ist, von allen zu kosten und hierüber ins Gespräch mit anderen Laternen-Pilgern zu kommen.

Mein Rezept für Martinshörnchen (von denen ich Kinder sagen hörte, es seien die allerallerallerleckersten), stelle ich Dir heute vor. Eine schöne Gelegenheit übrigens, mit Kindern ins Weihnachtsbacken zu starten!

Um selbst den guten, alten "Sankt Martin" zu beeindrucken, brauchst Du nur wenige Zutaten: 

300 g Mehl
200 g Frischkäse
200 g Butter
je 40 g braunen und weißen Zucker
40 g (frisch) gemahlene Haselnüsse

Aus Mehl, Frischkäse und Butter machst Du mit den Knethaken Deines Handrührers einen glatten Teig und verfrachtest ihn für 40 Min. in den Kühlschrank. Da er es Dir auch nicht übel nimmt, länger im Kühlschrank zu bleiben, kann er prima am Vorabend vorbereitet werden. 
Nach besagter Kühlung, teilst Du ihn in zwei gleich große Stücke, die Du nacheinander wie folgt verarbeiten kannst: 
Du knetest nun die erste Teighälfte kurz durch und rollst sie gleichmäßig, möglichst rund, auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche aus, so dass sie eine Dicke von ca. 3 mm  und einen Durchmesser von 26-28 cm bekommt.
(Ein Essteller oder eine Backform mit einem Durchmesser von ca. 26 cm könnte Dir als "Förmchen" dienen, solltest Du mit dem runden Ausrollen Schwierigkeiten haben. Hiermit "stichst" Du jetzt den Teig aus, so dass Du  mit einem kreisrunden Teigstück weiter arbeiten kannst.) 


Die Arbeitsfläche wird nun gleichmäßig mit dem Gemisch von beiden Zuckern und den gemahlenen Haselnüssen bestreut. Wenn Du sie frisch mahlst, haben sie ein besonders schönes Aroma. 


Darauf legst Du den kreisförmigen Teig vorsichtig und drückst ihn an, so dass die Unterseite gleichmäßig mit dem Haselnuss-Zucker benetzt ist. Durch das Andrücken wird der Teig noch etwas dünner. Perfekt für das spätere Hörnchen.
Das Teigstück teilst Du nun mit einem scharfen Messer in 12 möglichst gleich große "Torten"stücke und rollst sie jeweils von der breiten Außenkante vorsichtig zum inneren "Zipfel". 




Fertig sind die süßen Mini-Hörnchen! (Bloß die zweite Teighälfte nicht vergessen!) 
Jetzt noch rasch bei 170 Grad im vorgeheizten Backofen auf mittlerer Schiene für ca. 15 Minuten abbacken. 
Wenn sie ausgekühlt sind, gehört ein Probierhappen auf jeden Fall sofort vernascht und der Rest ab ins Körbchen für den Martinsumzug. Sehen Sie - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht goldig aus?




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